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Sharing Economy: Evolution oder komplementäre Entwicklung?
Dr. Harald Heinrichs ist Soziologe und Professor für Nachhaltigkeit und Politik an der Leuphana Universität Lüneburg in Deutschland. Seine Themen sind Nachhaltigkeit, Politik und Gesellschaft. Er forscht und berät jedoch großteils zum Thema Sharing Economy. TourismFastForward hat Dr. Heinrichs als Keynote-Vortragenden für die Konferenz im April 2015 gewonnen.
Im Interview mit dem Experten finden Sie einen Vorgeschmack zu seinen innovativen Denkansätzen.
Herr Dr. Heinrichs, Sie referieren bei TourismFastForward über Sharing Economy. Was genau werden sie ansprechen?
Alternative Konsum- und Nutzungsformen haben in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Angetrieben wurde dies durch Entwicklungen von Informations- und Kommunikationstechnologien, neuen Geschäftsmodellen und verändertem Verbraucherverhalten. Im Vortrag wird es um den Status-Quo der Sharing Economy gehen, aber auch was diese für den Tourismus bedeutet.
Gibt es den Trend vom Teilen statt Haben jetzt schon im Tourismus?
Sharing Economy hat eine hohe Bedeutung für den Tourismusmarkt: Plattformen für Privatunterkünfte, Sharing-Angebote in der Mobilität sowie Produkt-Dienstleistungssysteme bieten Chancen für den Tourismus. Sie sind aber auch Herausforderungen für etablierte Angebote. Potentielle Veränderungen für Tourismusmärkte durch die Sharing Economy sind frühzeitig zu erkennen und vorausschauend zu gestalten, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren.
Ist Sharing im Tourismus angekommen?
Ja. Es gibt einerseits neue Sharing-Angebote und Sharing bewegt sich von der Nische zum Mainstream. Das zeigen Lobby- und Gerichts-Auseinandersetzungen zwischen traditioneller Tourismuswirtschaft und Sharing-Anbietern. Gefordert ist dadurch die Tourismuspolitik: Sie müsste Rahmenbedingungen schaffen und Regulierungen anpassen an notwendigen Stellen.
Sie meinen Auseinandersetzungen und Streitfälle zwischen Städten, den Gerichten und Sharing-Anbietern. Demzufolge wird dieser Trend vom Tourismus bisher sehr kritisch betrachtet. Gibt es denn überhaupt Vorteile und Chancen für die Tourismusbranche?
Die Sharing Economy eröffnet folgende Potenziale für eine nachhaltige Tourismuswirtschaft:
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Durch dezentralisierte Wertschöpfung können mehr Akteure profitieren.
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Durch bessere Auslastung von Gütern und Produkten kann ein Beitrag zum Ressourcen- und Umweltschutz geleistet werden.
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Schließlich können durch neue Geschäftsmodelle Wachstumsimpulse für die Tourismuswirtschaft generiert werden.
Sprechen Sie damit eine Revolution der bestehenden Tourismusstruktur an?
Es wird nicht zur einer Revolution durch Sharing-Angebote kommen, die das bestehende Tourismusangebot verdrängt oder gar ersetzt. Neben teilweisen Substitutionseffekten wird es komplementäre Entwicklungen geben.
Welche Risiken sehen Sie und wird es Verlierer geben?
Risiken für bestehende Geschäftsmodelle durch die Sharing-Angebote gibt es ebenso wie Risiken für die Sharing Economy durch politische Gesetzgebung, aber auch Reputationsrisiken aufgrund von Datenschutz und weiteren kritischen öffentlichen Diskussionen. Moderne Marktwirtschaften leben von der „kreativen Zerstörung“, dabei gibt es Gewinner und Verlierer. Dynamische Veränderungen entsprechen der Logik der Marktwirtschaft. In einer sozialen Marktwirtschaft ist wesentlich, diesen Prozess vorausschauend und fair zu gestalten.
Sharing Economy am Beispiel Airbnb: Gesellschaft im Wandel
Veränderungen haben es in sich. Vor allem, wenn es sich um neue Trends in einer Gesellschaft handelt. Ganze Denkmuster, Vorgehensweisen und Konzepte können damit in Frage gestellt werden. Wirtschaftliches und politisches Denken müssen nachziehen. Sharing Economy ist so ein Trend. Die FAZ spricht vom neuen Terror des Teilens und meint damit: Die Zeit des Eigentums neigt sich dem Ende zu. Möglich wird dieser neue Trend vor allem deshalb, weil das Internet die Kosten der Transaktionen senkt. Somit wird Teilen rentabel und es gibt viele Profitierende.
Dr. Harald Heinrichs ist Soziologe und Professor für Nachhaltigkeit sowie Politik an der Leuphana Universität Lüneburg. Er referiert bei TourismFastForward über den neuen Trend der Sharing Economy und ist sicher:
“Neue Konsum- und Nutzungsformen haben an Bedeutung gewonnen. Angetrieben werden sie durch Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologie, neue Geschäftsmodelle und verändertes Verbraucherverhalten.“
Der Trend zum Teilen hat viele Namen, nämlich Sharing Economy oder auch Collaborative Consumption (der neue Kommunismus?) oder Kokonsum. Auch im Tourismus hat das Prinzip der Sharing Economy die unterschiedlichsten Ausprägungen angenommen: von Carsharing im Internet und Online-Mitfahrbörsen über Zimmervermittlungen á la Airbnb, 9Flats zu Wimdu. Kontroversen zu diesen neuen Trends gibt es allemal und zum Teil sehr heftige.
Airbnb hat viele Freunde aber auch starke Gegner
Immer öfter geraten Airbnb, 9 Flats oder Wimdu besonders in Städten unter Kritik und landen teilweise sogar vor Gericht. Berlin, New York und andere Städte fuhren jedenfalls große Geschütze gegen Airbnb auf. Demzufolge bringe die Vermittlung meist eine ganze Menge rechtlicher Unsicherheiten mit sich: Zahlreiche Mieter vermittelten ihre Wohnung gegen Geld an Touristen, ohne dass ihr Vermieter davon wüsste.
Nach Branchenschätzungen wird derzeit über Airbnb und Co. eine sechsstellige Zahl von Wohnungen an Kurzzeitgäste vermittelt – Tendenz steigend. Berlin sprach in diesem Zusammenhang gar von einer Zweckentfremdung ganzer Straßenzüge und ging gerichtlich gegen Airbnb vor. Aber auch New York setzt Airbnb mächtig unter Druck: Durch illegale Angebote auf der Plattform seien der Stadt über 33 Millionen Dollar (26 Mio. Euro) an Hotelsteuern entgangen, hieß es in einer eben veröffentlichten Untersuchung von Bundesanwalt Eric Schneiderman.
Neue Tendenzen zur Zusammenarbeit ab 2015: Amsterdam und Airbnb auf gemeinsamen Erfolgskurs
Anders hingegen sehen das die Amsterdamer und streben eine beidseitig profitable Zusammenarbeit mit Airbnb an. Nachdem sich zahlreiche Hotelbetreiber beklagten, dass Airbnb zwar mehr als 10.000 Privatzimmer in Amsterdam vermittle, dafür aber keine Steuern zu zahlen habe, wird ab Februar 2015 eine Steuer von Airbnb an die Stadt Amsterdam bezahlt. Der Online-Zimmervermittler verrechnet die Steuer bei jeder Onlinebuchung eines Zimmers in Amsterdam über sein Portal und gibt die Steuer an die Stadt Amsterdam weiter.
Neue Anforderungen an den Tourismus der Zukunft
Dr. Harald Heinrichs bringt es auf den Punkt:
„Sharing Economy hat eine hohe Bedeutung für den Tourismusmarkt. Themen wie Plattformen für Privatunterkünfte, Sharing Angebote im Mobilitätsbereich sowie vielfältige Produkt-Dienstleistungssysteme bieten Chancen für den Tourismus, stellen aber auch Herausforderungen für traditionelle Tourismusangebote dar: Potentielle Veränderungen für Tourismusmärkte durch die Sharing Economy sind so frühzeitig zu erkennen und vorausschauend zu gestalten, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. Das Thema ist im Tourismus insofern angekommen, als es einerseits neue Sharing-Angebote gibt. Andererseits zeigen Lobby- und Gerichts-auseinandersetzungen zwischen traditioneller Tourismuswirtschaft und Sharing-Economy-Anbietern, dass Sharing-Angebote aus der Nische in den Mainstream kommen. Gefordert ist zukünftig insbesondere die Tourismuspolitik: Sie muss Rahmenbedingungen schaffen und Regulierungen anpassen an den Stellen, wo dies notwendig ist. Es wird nicht zur einer Revolution der Sharing Economy kommen, die das bestehende Tourismusangebot insgesamt verdrängt oder ersetzt. Neben teilweisen Substitutionseffekten wird es zu einer komplementären Entwicklung kommen.“
Mehr zum Thema Sharing Economy und ihren Auswirkungen auf den Tourismus erfahren Sie im Vortrag von Dr. Heinrichs.